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10 - Die ersten Voruntersuchungen

Die ersten 2 Tage in Jena sind vorbei und doch kommt es mir viel länger vor. Es sind viele Eindrücke, viele Leute die man trifft und man ist quasi von morgens bis abends mit dem konfrontiert, was nun hoffentlich kurz bevorsteht. Die Woche lief leider von Beginn an nicht so, wie ich es mir vorgestellt habe. Bevor ich nach Jena gefahren bin, habe ich noch meine Familie besucht. Und irgendwie ist bei jedem doch so langsam die Anspannung  spürbar. Wir alle wollen auf der einen Seite, dass es so schnell wie möglich vorbei ist. Dass alles gut geht. Dass vielleicht doch noch jemand sagt, es war eine Fehldiagnose. Es ist schwer mit diesen Emotionen und Gedanken umzugehen. Denn irgendwie ist doch jeder damit auf sich allein gestellt. Glücklicherweise wird hier in der Klinik großen Wert auf die psychologische Betreuung der Patienten und Spender gelegt. Sowohl im Vorfeld als auch danach. (Dazu habe ich mit einer Mitarbeiterin des UKJ gesprochen. Diesem Teil widme ich mich aber nochmal gesondert.) Angekommen in der Uniklinik wurde ich erstmal sehr nett von den Mitarbeitern auf Station begrüßt. Sie sind wirklich alle sehr herzlich und kümmern sich um einen, wann auch immer es notwendig ist. Außerdem habe ich das Glück, zwar stationär hier zu sein, allerdings gibt es hier die Möglichkeit in einer kleinen Wohnung gegenüber vom Krankenhaus zu wohnen. Man hat alles was man braucht und ist nicht an den starren Ablauf auf Station gebunden. Das macht den Aufenthalt sehr angenehm. Im Grunde genommen bin ich hier um für die Transplantation und den davor notwendigen Zentrumswechsel nochmal die Evaluierung zu durchlaufen. Und natürlich möchte die Klinik auch nicht nur die Untersuchungsergebnis eines anderen Zentrums, sondern auch ihre eigenen Untersuchungen machen. Leider laufen die Untersuchungen nicht ganz so reibungslos wie es im Zeitplan steht. Und ich mag, wie bereits erwähnt, Pläne und Abläufe sehr. Dazu später aber mehr. Begonnen hat alles erstmal mit einer Riesen-Menge an Blutproben. Vor ein paar Jahren wäre ich deswegen noch ziemlich sicher umgekippt. Aber man gewöhnt sich an alles.

 

Die vielen Proben werden für allgemeine Laborwerte benötigt, aber auch für die Abklärung von Hepatitis, Zytomegalie, Herpes, HIV, Epstein-Barr und Autoantikörper. Weiter ging es mit Röntgenaufnahmen der Zähne und der Nasennebenhöhlen. Auch die Mammografie gehört zu den Untersuchungen. Und zum Abschluss des Tages gab es noch ein EKG, den Lungenfunktionstest, das Echokardiogram und das Belastungs-EKG. Nach dem vielen durch die Gegendrennen und dem ordentlichen Sportprogramm beim Radfahren, war ich dann auch ziemlich geschafft. Das Gute ist, wenn man so viel zu tun hat, kann man nicht viel nachdenken. Denn zum grübeln finde ich in letzter Zeit immer einen Grund. Der zweite Tage schickte sich eigentlich an, relativ entspannt zu werden. Es waren nur ein paar Untersuchungen geplant, nichts besonders Zeitaufwendiges, dann wollte ich noch eine liebe Freundin treffen, die ebenfalls hier transplantiert wurde und zu einer Untersuchung hier war. Am späten Nachmittag sollte der Zug nach Hamburg fahren, damit ich mit meinem Mann das Wochenende verbringen kann. Denn natürlich finden auch hier keine Untersuchungen am Wochenende statt. Nach dieser Woche brauchten wir eigentlich beide ein bisschen was für die Seele und stinknormalen Alltag. Nun ja, der Tag verlief dann etwas anders. Das dermatologische Konsil verlief noch ganz fix. (Ein Konsil ist eine fachliche Beurteilung durch einen Facharzt [Konsiliararzt])

Und dann kam das gynäkologische Konsil und ein Angio-CT der Leber. Auch die Untersuchungen sind eigentlich recht schnell erledigt. Für das CT war Kontrastmittel notwendig, für das mir vorab ein Zugang gelegt wurde. Die Untersuchung dauert 15 min. Bei dem gynäkologischen Konsil, sind es ebenfalls 15 Minuten, verbunden mit einer Biopsie der Gebärmutterschleimhaut, die wirklich sehr unangenehm und schmerzhaft ist. Und es wäre wirklich wunderbar, wenn Ärzte es vorher zumindest ankündigen würden, bevor sie eine Gewebeprobe entnehmen. Mit den Schmerzen kann man vermutlich umgehen, aber wenn man nichts ahnt und nicht weiß woher auf einmal dieser stechende, brennende Schmerz kommt, ist das schon nicht ganz so leicht einzuordnen. Diese insgesamt 30 Minuten wären nicht das Problem gewesen. Das Problem waren die über 3 Stunden Wartezeit, die mich am Ende des Tages richtig ins Schleudern brachten. Soviel vorab, „zum Glück“ ist mein Zug ausgefallen, so dass es schließlich auch egal war. Um 15:30 Uhr war ich dann die letzte Patientin, die zurück auf Station eintrudelte und auch die meisten Schwestern waren schon im wohlverdienten Feierabend. Ich wurde schon schmerzlich vermisst. Man hatte ja schon einigen Stunden vorher mit mir gerechnet. Auf Station teilte man mir dann mit, dass ich noch 2 Aufklärungsgespräche für die Magen-Darm-Spiegelung in der nächsten Woche habe und noch ein Gespräch mit dem Kardiologen. Der Tag entwickelte sich mehr und mehr zu einem echt nervigen Exemplar zu werden. Glücklicherweise fand der Kardiologe nichts auffälliges, es war lediglich ein Routinegespräch. Und dann kam es tatsächlich nach allem für mich ganz persönlich noch schlimmer. Eine Haarprobe. Wobei, falsch, 3 Haarproben. 3 Strähnen die ungefähr so dick wie ein Bleistift sein sollte. Nun habe ich das außergewöhnliche Glück eine Schilddrüsenunterfunktion und Hashimoto zu haben und eine erblich bedingte Alopezie. Das alles in Kombination sorgt dafür, dass ich extrem dünne Haare habe, die ich wirklich hege und pflege, wie es vermutlich jede Frau tun würde. Das heißt also wenn man bei mir 3 Strähnen an 3 Stellen abschneiden muss und das sehr nah an der Kopfhaut, dann fehlen da auf einmal sehr viele Haare. Denn man braucht ja eine größere Fläche. Und ich weiß nicht genau wer indem Moment mehr gelitten hat, die wahnsinnig nette und empathische Schwester, die wirklich wunderschöne, dicke und lange blonde Haare hat oder ich. Ich glaube sie hätte fast geweint. Nach einigem Anfeuern  („Sie schaffen das! Es sind nur Haare! Noch einmal schnipp schnapp!“ und „Meine Mama hat gesagt, halb so wild, es ist eh Mützenwetter.“) haben wir auch das gemeinsam geschafft. Ich habe es bis jetzt noch nicht geschafft mir das Unheil auf meinem Kopf anzuschauen. Aber ich habe mir eine neue Mütze gegönnt. Es ist wirklich Wahnsinn, was alles im Vorfeld zu einer Transplantation nötig ist. Und auch das ist natürlich ein verhältnismäßig kleines Opfer, was ich bringen muss, aber trotzdem tut es mir etwas weh. (By the way: Die MTA’s bezeichnen sich hier selbst als Krankenschwester, weswegen ich bei diesem Begriff bleiben möchte.)