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11 - Eine Woche Jena

Es ist geschafft. Die Woche der Evaluierung geht zu Ende und ich kann gleich wieder nach Hause fahren (mal schauen, ob die Deutsche Bahn das auch will). Das Gefühl, mit dem ich hier noch im Wartezimmer der Station sitze und auf meinen Entlassungsbericht warte, ist ein ganz Merkwürdiges. Auf der einen Seite freue ich mich, denn endlich bin ich einen großen Schritt weiter. Es gibt bislang nichts, was gegen eine Lebendspende spricht. Schon morgen wird in der Konferenz über meine Listung bei Eurotransplant entschieden. Natürlich bin ich da schon gelistet, aber für einen Zentrumswechsel muss dieser bürokratische Weg eben nochmal gegangen werden. Mir geht es ironischerweise ziemlich gut, was eine perfekte Voraussetzung für die Lebendspende ist. Denn anders als bei der Postmortem-Spende, ist es bei der Lebendspende besser, wenn die MELD-Punkte eher gering ausfallen.

Auf der anderen Seite ist es auch etwas deprimierend. Nicht die Tatsache, dass ich nunmal krank bin und eine Spende brauche, sondern eher, wie wenig die Leute über Organspende wissen. Und das ist übrigens auch bei Betroffenen so. Jena setzt die Grenze für eine Transplantation übrigens bei 30 MELD Punkten. Das ist schlicht und einfach dem geschuldet, dass wir so wenige Menschen haben, die zu einer Spende bereit sind. Logisch irgendwie, wenn es mehr wären, würde auch dieser Wert sinken. Und tatsächlich fragt sich auch das Klinikpersonal, mit dem ich gesprochen habe, wie lange Deutschland damit noch durch kommt mehr Organe aus dem Eurotransplant-Verbund zu erhalten, als zu geben. Denn ohne die Organe aus dem europäischen Ausland wären wir aufgeschmissen. Viele Leute hätten so einfach kein Organ bekommen. Auch in Wartezeiten sind deshalb natürlich bei uns ziemlich lang. Und zudem kommt noch hinzu, dass man in Jena gesondert dafür unterschreiben muss, dass man bei einer Postmortem-Spende ein Organ eines Spenders bekommen darf, der über 60 Jahre ist und evtl. auch eine Leber die schon leicht verfettet ist. Das beides hat allerdings nicht wirklich viel über die Qualität zu sagen. Deswegen ist es umso bedauerlicher, dass so wenig über die Organspende gesprochen wird.

Als ich mich mit einer Schwester lange darüber unterhielt, ob es manchmal Patienten gibt, von denen man vielleicht auch enttäuscht ist, sagte sie mir, sie persönlich ist von keinem Patienten enttäuscht. Selbst wenn jemand irgendwann mal wieder ein Schlückchen Alkohol zu sich nimmt, ist sie nicht enttäuscht. Sie setzt sich mit dem Menschen auseinander, fragt nach, was passiert, interessiert sich dafür, welches Schicksal und welche Geschichte hinter dem Handeln steht. Denn am Ende des Tages sind wir alle nur Menschen, die nunmal auch Fehler machen, die vielleicht auch Schwächen haben. Keiner von uns schafft es immer gegen seine inneren Dämonen anzukämpfen. Dabei will ich keinesfalls verherrlichen, dass es natürlich absolut nicht passieren sollte, dass man seine Immunsuppressiva vergisst oder Alkohol wissentlich zu sich nimmt. Ich möchte einfach nur sagen, dass wir alle weniger über andere urteilen sollten, ohne zu hinterfragen, warum etwas so ist. Und na klar, urteile ich auch. Es ist einfach und man kann sich damit gegenüber anderen erhaben fühlen, ist aber absoluter Quatsch.

Deshalb ist es vielleicht umso wichtiger auf die psychische Gesundheit der Patienten und natürlich auch die der Angehörigen acht zu geben. In Jena wird viel Wert auf die Vor- und Nachbetreuung der Patienten gelegt. Es steht einem jederzeit frei, um Hilfe zu bitten und diese in Anspruch zu nehmen. Natürlich kann nicht jeder in der dortigen Klinik betreut werden, aber ich habe das Gefühl, wenn man um Hilfe bittet, erhält man sie auch und wenn auch in Form von Anregungen, an wen man sich ausserhalb der Klinik wenden kann.

Diese eine Woche hier in Jena hat mir aber definitiv nochmal auf eine andere Art und Weise gezeigt, wie auch Leute mit der Situation umgehen, die uns als Patienten betreuen. Ihnen ist es wichtig, dass es uns gut geht. Sie kümmern sich um uns, nehmen sich auch mal 5 Minuten mehr Zeit, falls es uns mal nicht so gut geht. Natürlich nicht jeder, so fair muss man bleiben, aber der Großteil des Teams mit dem ich hier zutun hatte, hat mir ganz persönlich das Gefühl gegeben, nicht allein zu sein. Zumal auch gerade in so einer Evaluierung - auch wenn es nur ein Zentrumswechsel ist - so viele verschiedene Rädchen miteinander verzahnt sein müssen, dass wirklich auch ein enorm großer personeller und organisatorischer Aufwand dahiner steht. Sich gerade auch in dem Punkt Zeit für ein Gespräch zu nehmen ist nicht selbstverständlich. Ich hatte in dieser Zeit ungefähr 20 Termine.

Das hat frührer wesentlich länger gedauert. Auch das Konzept, dass man außerhalb des Krankenhauses in renovierten Wohnungen seine freie Zeit verbringen kann, macht den Aufenthalt wesentlich angenehmer. Man hat über einen Notfallknopf jederzeit die Möglichkeit Hilfe anzufordern. Und da das Krankenhaus nur gegenüber liegt, sind auch hier die Wege kurz. Für Personen, die nicht permanent auf medizinische Kontrolle angewiesen sind oder wo wie in meinem Fall viele Untersuchungen angesetzt sind, ist das natürlich sehr angenehm. Man hat am Abend das Gefühl „nach Hause“ zu kommen und kann sich zurückziehen. Was auf normalen Stationen natürlich immer etwas schwer ist.

Eines hat sich aber immer gezeigt, bei den Gesprächen die ich führen konnte: Das Team mit dem ich hauptsächlich zu tun hatte erwartet kein Dankeschön. Für sie es wohl eher mehr Berufung als Beruf. Trotzdem kann es hier und da sicher auch nicht schaden, mal ein nettes Wort an die Leute zu verlieren, die uns helfen. Und vielleicht auch später, wenn alles überstanden ist, einfach mal vorbeizuschauen und zu sagen: „Es geht mir gut! Und du hast deinen Teil dazu beigetragen!“

Natürlich wird es sicher auch andere Meinungen zum UKJ geben. Ohne Frage. Das ist lediglich meine Meinung und die einiger Leute mit denen ich gesprochen habe und ich versuche euch nur daran teilhaben zu lassen.