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12 - Meine kleine Famile

Ein paar Tage ist es nun her, seitdem die Voruntersuchungen waren. Und ich muss sagen, es hat mich doch einige Kraft gekostet. Nachdem ich auf der Rückfahrt auch noch etwas vom Bahnstreik hatte und die Fahrt etwas länger dauerte als gedacht, war ich erstmal froh wieder zu Hause zu sein. Leider war es zu Hause nicht mehr so wie sonst immer, den ein kleiner Mitbewohner fehlte. Unser Kater musste in der Zeit, in der ich unterwegs war, eingeschläfert werden. Auch das hat mir während der Zeit ordentlich zugesetzt. Und für manche ist es nur ein Kater gewesen. Aber für uns, war er ein Teil unserer kleinen Familie. Mein Mann, unsere beiden Kater und ich. Da wir keine Kinder haben und ziemlich sicher auch keine eigenen Kinder haben werden, ist das für uns die Familie.

Natürlich habe ich mir immer gewünscht einmal Kinder zu haben. Happy little family. Ich wollte heiraten und 1 oder 2 Kinder haben, am besten schon mit Mitte 20. Und dann stellt man fest, dass das wohl doch alles nicht so einfach ist, wie man sich das mal gedacht hat. Als ich meinen Mann mit Ende 20 kennenlernte war das auch definitiv mal ein Thema über das man gesprochen hat, aber sicherlich nichts was man übers Knie bricht. Immerhin dachten wir, hätten wir noch alle Zeit der Welt.

 

Als wir dann erfahren haben, was der Grund für mein ständiges Unwohlsein und zu dem Zeitpunkt auch schon Grund für meine ausbleibende Periode war, hatte sich das Thema Kinderwunsch dann auf einmal ganz schnell in Luft aufgelöst. Das trifft übrigens für ca. 58% der Patientinnen zu. Aber meist reguliert sich das wieder nach einer erfolgreichen Transplantation. Grundsätzlich ist es also möglich nach wie vor ein Kind zu bekommen, wären da nicht die Medikamente und die Tatsache, dass man nun mal transplantiert und nach wie vor krank ist. Es würde sich also in jedem Fall um eine Risikoschwangerschaft handeln. Immunsuppressiva sind starke Medikamente, die zu erhöhten Blutdruckwerten, Nierenfunktionsstörungen, Frühgeburten und kindlicher Wachstumsretardierung führen können. Außerdem ist eine Schwangerschaft schon unter normalen Umständen eine starke Belastung für den Körper, vor allem für den Stoffwechsel. Das kann bei transplantierten Patientinnen in seltenen Fällen zu einer Funktionsverschlechterung des Transplantats führen. Auch die Wahrscheinlichkeit eines Kaiserschnitts ist höher als normal.

 

Für mich selbst steht eine Schwangerschaft auch nach einer hoffentlich erfolgreichen Transplantation nicht mehr zur Debatte. 1. Weil ich nun leider auch nicht mehr Mitte 20 bin. 2. Weil wir uns bewusst dazu entschieden haben, das Risiko einer Schwangerschaft nicht eingehen zu wollen. 3. Man kann ja auch akzeptieren. 4. Wir sind glücklich zu zweit. Für uns braucht es kein Kind, um uns zu einer Familie zu machen. Irgendwann, wenn bei mir alles überstanden ist, möchten wir mehr reisen, mehr unternehmen. Wir möchten unsere Leben mit dem ein oder anderen Vierbeiner als Wegbegleiter genießen.

 

Aber natürlich war das kein leichter Prozess. Wie gesagt, ich wollte immer Kinder. Aber könnte ich meinem Kind unter diesen Umständen das bieten, was ich gerne wollen würde? Aus meiner Sicht heraus, nicht. Ich kann aber jede Frau verstehen, die sich ein Kind wünscht und diesen Wunsch auch umsetzen möchte. Eine Schwangerschaft wird bei Transplantierten sehr engmaschig interdisziplinär überwacht. (Auch das ist übrigens Teil der Gespräche, die während der Voruntersuchungen geführt werden). Also, alles ist möglich. Natürlich kann ich das für mich nur aus der Sicht einer Frau beschreiben. Und auch nur aus Sicht einer Leberpatientin. Aber auch hier - wie bei so vielen anderen Entscheidungen und Einschränkungen - steht man nicht allein da, wenn man in einer Partnerschaft ist. Für mich war es vollkommen klar, dass ich es verstehe, wenn mein damals noch Freund gehen würde. Wenn es für ihn so wichtig gewesen wäre ein leibliches Kind zu haben, dann hätte ich ihn natürlich gehen lassen. Er hat sich dafür entschieden bei mir zu bleiben und den Weg mit mir zu gehen. Und dafür danke ich ihm jeden Tag. Denn ganz ehrlich, ich glaube wir beide haben uns das damals beim kennenlernen etwas anders vorgestellt.

 

Ich glaube grundsätzlich ist es erstmal aber egal, wer uns während dieser schweren Zeit zur Seite steht. Während der insgesamt fast 2 Wochen, die ich weg war, ist mir wieder bewusst geworden, wie schwer die Zeit in der Klinik und in der anschließenden Reha für mich sein wird. Ich kann zwar ziemlich gut mit mir allein sein, aber meine Familie, meine Eltern, Großeltern, Freunde, werden mir sehr fehlen. Gleichzeitig geben sie mir aber Kraft, den ganzen langen Weg zu meistern. Auch wenn ich von mir aus sicher schon einige Male kurz davor war, das Handtuch zu werfen. Zu hören „Wir schaffen das!“, „Ich komm dich besuchen und du kannst immer anrufen!“, „Du bist stark“ gibt mir in den Momenten wahnsinnig viel Kraft und Auftrieb um das Krönchen zu richten und weiter zu machen. Am Sonntag geht es für das letzte, finale Konsil nach Jena. Also nochmal in den Zug, dann eine Nacht im Hotel übernachten und am Montag ist es dann soweit. Wer weiß, vielleicht komme ich ja dann schon mit einem Termin zurück...