Skip to main content

13 - Nur ein kleines Schlückchen

Wieder auf dem Weg nach Jena. Wieder eine Untersuchung. Diesmal hoffentlich die Letzte bevor der Termin für die Transplantation geplant wird. Ich muss sagen, langsam komm ich an den Punkt, an dem ich einfach keine Lust mehr habe, auf die ewigen Zugfahrten, die Ungewissheit, die viele Zeit in Wartezimmern. Aber ich glaube für mich am schlimmsten sind die Fahrten. Mittlerweile werde ich leicht panisch, was den Kontakt mit anderen Menschen angeht. „Bloß nicht krank werden!“ ist die Devise. Und wir alle wissen, wie es ist, Zug zu fahren. Willkommen in einem schönen Pool aus Keimen, Infektionen und Gerüchen! Zumal ich merke, wie sensibel ich in der Hinsicht in den letzten Jahren geworden bin. Gerade was den Geruch von Alkohol angeht. Manchmal reicht es schon, zu lange im Dunst aus Bier und sonstigem zu sitzen und mir wird schlecht. Oder ich habe den ganzen Tag Kopfschmerzen davon.

Gerade für mich als Leberpatientin ist Alkohol natürlich ein absolutes No-Go! Und Glücklicherweise bin ich weitestgehend in einem Umfeld, dass das akzeptiert und auch besonders darauf achtet, was mir zu Trinken oder zu Essen hingestellt wird. Das ist leider im öffentlichen Leben nicht immer ganz so einfach. Bei Getränken geht es mittlerweile, jedes halbwegs gute Restaurant oder auch Bar bietet mittlerweile eine breite Auswahl an alkoholfreien Cocktails an. Wenn es aber Richtung Bier oder Wein geht, wird es schon problematischer. Auf die Frage, ist das 0,0, kommt oft die Antwort: ja, ist alkoholfrei. Das aber alkoholfrei keineswegs heißt, dass auch wirklich kein Alkohol drin ist, das wissen die wenigsten. Denn alkoholfrei heißt lediglich, dass bis zu 0,5°% Alkohol im Getränk enthalten sein dürfen. Das ist für jemanden der definitiv abstinent leben muss, viel zu viel. Ohne Frage, in Lebensmitteln (Brot, Joghurt, überreifes Obst, ...) ist ebenfalls Alkohol enthalten. Dieser Anteil ist allerdings sehr gering und fällt bei den monatlichen Blut- und Urinkontrollen nicht ins Gewicht. Denn eins ist klar, weisen die Werte nachweislich Alkohol auf, dann fliegt man von der Liste. Da wird nicht lange diskutiert. 

  

Mir selbst ist es einmal passiert, dass ich in einem Restaurant das falsche Essen bekam, das mit Weißwein-Sauce sein sollte. Nachdem ich bereits davon gegessen hatte war die Panik groß. Der Kellner teilte dann kleinlaut mit, dass in dem Essen aus Preisgründen kein Wein verkocht wird. Normalerweise ein bisschen Betrug, in meinem Fall, Glück gehabt. Aber auch in Situationen, in denen gesagt wird, ein kleines Bisschen kann doch nicht schlimm sein. Doch, ist es. Es sind in der Hinsicht einfach die kleinen Unachtsamkeiten gerade bei Leuten die mir nahestehen. Das kleine Glas Sekt zur Begrüßung oder die eine Praline mit Schuss, die dann doch im Pralinenkasten gelandet ist. Natürlich ist es meine eigene Verantwortung, auf solche Dinge zu achten. Und das tue ich auch, aber manchmal liegt es eben auch nicht in meiner Kontrolle, denn letztendlich weiß ich nicht ob ein kleines Schnäpschen im Kuchen gelandet ist oder nicht. Das kann mir nur derjenige sagen, der ihn gebacken hat. Es braucht glaub ich noch einige Zeit bis Alkohol nicht mehr so verherrlicht wird. Und ich will mich gar nicht davon freisprechen, dass ich früher nicht auch hier und da mal ein Schlückchen hatte und sicher auch mal zu viel davon. Oder dass ich mir nicht auch heute mal hin und wieder einen richtigen Gin Tonic wünsche. Aber meiner Meinung nach ist es an der Zeit, dass wir uns Bewusst machen, dass es sich um ein Nervengift handelt. 

Kurzer Exkurs: Alkohol ist ein Suchtmittel, das unfassbar einfach verfügbar ist. Er wirkt stressmindernd, beruhigt, kann aber gleichzeitig auch euphorisieren und enthemmen. Aber, so positiv das auch alles erstmal klingt, Alkohol schädigt alle Organ- und Körperfunktion, wobei der Grad der Schädigung von unterschiedlichen Dingen beeinflusst wird (Geschlecht, Gewicht, Erbanlagen, etc.) Da Alkohol in die Blutbahn gerät verändert er die Biochemie des Organismus und schädigt unsere Nervenzellen. Es können sich viele Krankheiten daraus ergeben. Neben der Leberzirrhose zum Beispiel Krebs, Bauchspeicheldrüsenentzündung, bis hin zu Hirnschädigungen.

Grundsätzlich sollte sich aber der Umgang mit Alkohol ändern. Ob nun die Nachfragen, warum jemand nichts trinken möchte oder auch die Verfügbarkeit. Aktionen wie z.B. der Dry January können dazu beitragen, dass man zumindest mal den eigenen Konsum überdenkt. Wir haben es ja immerhin auch geschafft, uns an rauchfreie Restaurants oder mehr vegane Nahrungsalternativen zu gewöhnen. Warum nicht also auch das?

Soviel dazu. Eigentlich wollte ich auf diesem Weg auch noch einer lieben Leserin und „Leidensgenossin“ alles erdenklich Gute und viel Kraft für ihre bevorstehende Transplantation wünschen. Leider wurde diese verschoben. Der Grund: Bettenmangel auf der Intensivstation. Ich finde es unfassbar traurig und beschämend, dass jemand der sich durch den sehr aufwühlenden Prozess der Erkrankung und der Wartezeit auf ein neues Organ gekämpft hat, nun einmal mehr ausgebremst wird. So etwas sollte einfach nicht passieren. Und natürlich kann so etwas bei geplanten Eingriffen vorkommen, aber um ehrlich zu sein, ist das für mich ein Armutszeugnis unseres Gesundheitssystems. Ich denke wir alle mussten schon mal erleben, wie man sich nicht ernst genommen fühlte, vielleicht sogar falsch oder zu oberflächlich behandelt. Meine Liebe, ich wünsche dir ganz viel Kraft und Stärke, die Tage bis die OP stattfindet zu überstehen. Und ich weiß auch, dass du die OP gut meistern wirst. Du weißt, dass du auf deinem Weg nicht alleine bist und ich schicke dir nur die besten Wünsche!