8 - Zu viele Gedanken
Man sollte die Feste feiern wie sie fallen, sagt man. Dieses Mal war es der Geburtstag meines Mannes den wir in seiner Geburtsstadt gefeiert haben. Es ist ab Weihnachten eine Zeit in der bei uns viele Feste sind. Bei jedem Einzelnen schleicht sich in letzter Zeit immer mal wieder der Gedanke ein, „was wäre, wenn…? Was wäre, wenn dies und das und jenes passiert? Hab ich dann so gefeiert, wie es sein sollte? War jeder dabei mit dem ich gerne Zeit verbringe? Puh harter Einstieg Heute. In der letzten Zeit schießen mir viele Gedanken durch den Kopf. Auf der einen Seite bin ich ungeduldig und ich kann es nicht erwarten, bis es endlich losgeht mit der OP. Auf der anderen Seite hab ich so eine verdammte Angst davor. Nicht um mich. Um meinen Spender. Um meine Familie. Um die Leute die mir am Herzen liegen. Neulich endete das in einem Traum, in der mich ein Bekannter deutscher Moderator durch ein Krankenhaus schob, um mich in den richtigen OP-Saal zu bringen. Logisch, denn in der Nacht verarbeitet man ja bekanntlich das, was man am Tag erlebt. Offenbar war das ein Tag mit zu vielen unterschwelligen Gedanken an die Transplantation und hinzu kam der Podcast den ich zum einschlafen gehört habe.
Denn wenn ich nichts höre zum einschlafen, dann höre ich meine eigenen Gedanken und das ist viel schlimmer für mich. Denn in der Nacht kann ich mich nicht mit irgendwelchen Projekten ablenken. Wie den Schrank sortieren, ausmisten, Bilder auf dem Laptop in die richtigen Ordner packen, und und und…. Aber tagsüber bin ich gut darin mich mit lauter Krimskrams abzulenken. Jeder geht mit solchen Situationen anders um. Ich habe kein Problem damit darüber zu reden, wie mir auch grade wieder auf der Geburtstagsfeier aufgefallen ist, aber manchmal will ich auch einfach, dass es nicht ständig um meine Erkrankung geht. Ich bin nicht nur eine Person die mit einer Diagnose leben muss, ich bin auch jemand mit Interessen, fernab der Organspende. Die Organspende ist mein Herzensthema (oder Leberthema). Aber ich liebe es auch zu lesen. Thriller, Weltgeschichte, Philosophie, Romane, alles möglich. Auch schaue ich gerne Serien, gehe schwimmen, koche wahnsinnig gern, hör für mein Leben gerne True-Crime Podcasts und politische Podcasts und ich führe gerne gute Gespräche. Aber fragt mich irgendjemand danach? Ja klar, Einige tun das, aber es ist nicht so oft wie ich es mir manchmal wünsche würde, um mich von mir selbst abzulenken.
Also, wenn ihr jemanden seht mit einem offensichtlichen Handicap oder von dem ihr wisst, dass ihm was fehlt, ist es nicht verkehrt zu fragen, wie es ihm oder ihr geht. Aber fragt es nicht mitleidig und im besten Fall, lebt auch mit der Antwort, wenn sie ehrlich ist. Nämlich „Mir gehts scheiße. Und wie gehts dir?“ Wir wollen kein Mitleid. Manchmal wollen wir einfach nur Blödsinn machen und nicht immer krank sein. Und auch wir vertragen ein ehrliches Wort, wenn wir mal mit einer Meinung oder Reaktion über die Strenge schlagen. Wir halten ziemlich viel aus. Das haben wir alle gemeinsam. Denn immerhin sind wir eine große Community, mit vielen verschiedenen Facetten, Meinungen, Ecken und Kanten. Also vielleicht versuchen wir einfach mal mehr miteinander zu reden. Ich denke, dass dabei letztendlich für jeden etwas Gutes dabei rumkommen kann.